Wer seine reiche Ausbeute, die er mühsam den Berg abgerungen hat, genießen möchte, der soll tunlichst das Pfeifen unterlassen. Das mögen Bergmännchen nämlich gar nicht...
Schon seit altersher stand hierorts der Bergbau in hoher Blüte. Überall in den Bergen fanden die fleißigen Bergleute große Mengen reinen Erzes. Zuweilen, wenn die Erzbauer in leichter Arbeit ihre kleinen Karren voll des glitzernden Gesteins luden, hörten sie hier oder da an den Wänden ein geheimnisvolles Klopfen. Das kannten die Bergleute sehr gut. Ein kleiner Wicht, das Bergmännchen, war dort und zeigte ihnen neue Erzlager. Und hieben dann die Erzsucher das Gestein an dieser Stelle fort, so erschlossen sich ihnen reiche Schätze.
Eines konnte der gütige Berggeist nicht vertragen, nämlich das Pfeifen. Das wussten die Bergleute, und darum verrichteten sie ihre Arbeit still und schweigsam. Einmal hatte das Bergmännchen einem Manne, dem es besonders wohl gesonnen war, einen schier unermesslichen Erzreichtum gezeigt. Um den herrlichen Schatz zu bergen, musste der Bergmann eine Brücke über ein tiefes Loch schlagen, ehe er dorthin gelangen konnte. Der Kleine versprach, ihm dabei behilflich zu sein. Das Werk schritt unter den sachkundigen Händen beider zügig voran. Bald war die Brücke fertig, und voll Staunen stand der Bergmann vor dem reichen Silberlager.
Vor Freude toll, vergaß sich der Glückliche, klatschte in die Hände und pfiff und pfiff. Da stieß ihn der Berggeist entsetzt und zornig an und verschwand plötzlich im Gestein. Ein heftiges Donnern und Krachen hub an, das immer heftiger wurde und immer näher kam. Da merkte der Bergmann, was er verschuldet hatte. Schon wankte der Steg, auf dem er stand. Hinter ihm ertönte ein lautes Poltern. Er durfte nicht länger bleiben, wollte er sein Leben nicht verlieren. Er stürzte deshalb dem Ausgang zu, und kaum erblickte er das Tageslicht, als die ganze Grube heftig bebte und mit lautem Krachen einstürzte.
Da stand der Unvorsichtige, von der Abendsonne hell beschienen, und starrte zum Schachteingang. Dann ging er langsam heimwärts, froh, dass er noch sein nacktes Leben retten konnte.
Quelle: Siegerländer Sagen, gesammelt von Gerhard Schrey, erschienen 1912 im Montanus Verlag Siegen / Homepage des Hilchenbacher Stadtteils Müsen